Phytoremediation – die Hanfpflanze und Radioaktivität

Hanf wird seit Jahrzehnten für Bodendekontaminationsprojekte bzw. Phytoremediation eingesetzt. Ein wesentlicher Auslöser für Forschungen und Anwendungen zu diesem Thema war der Atomunfall im ukrainischen Tschernobyl im Jahr 1986. Nach dem Unfall versuchten die Behörden, die Umgebung des Unglücksreaktors zu dekontaminieren. Ab 1998 begannen Wissenschaftler damit, dort Hanf anzubauen, dessen Fähigkeit zur Aufnahme toxischer Schwermetaller (Strontium und Cäsium) schon länger bekannt war. Dieser Vorgang nennt sich Phytoremediation, also Bodensanierung durch Pflanzen.

Phytoremediationsprojekt von Tschernobyl mithilfe von Hanf

Phytoremediation - die Hanfpflanze und Radioaktivität
Phytoremediation – die Hanfpflanze und Radioaktivität

Schon 1990 baten die sowjetischen Behörden, damals noch zuständig für Tschernobyl, die IAEA um Untersuchungen zur Strahlenbelastung rund um Tschernobyl. Sie selbst hatten bereits in pflanzlichen und tierischen Geweben hohe Konzentrationen von toxischen Metallen gefunden. Dazu gehörten:

  • Plutonium
  • Strontium-90
  • Cäsium-137
  • Blei

Die IAEA-Wissenschaftler bestätigten die Ergebnisse ihrer sowjetischen Kollegen. Gemeinsam beschlossen die Forscher, ein Phytoremediationsprojekt in Tschernobyl zu initiieren. Dazu eignet sich nicht nur Hanf. Am Ort wurde zunächst Kohl angebaut, der zumindest Chrom, Blei, Nickel und Kupfer gut aufnimmt, später folgten Mais und Sonnenblumen.

Mais nimmt ebenfalls Blei sehr gut auf, eine bestimmte Sonnenblumensorte kann in kleinerem Umfang gegen die radioaktiven Schwermetalle Plutonium, Strontium-90 und Cäsium-137 wirken.


Die Ergebnisse genügten jedoch offenbar nicht, weshalb man 1998 mit dem Hanfanbau begann. Hanf ist nach Aussage des beteiligten Wissenschaftlers Slavik Dushenkov die effizienteste Pflanze für die Phytoremediation.

Entsprechende Versuche mit dem Hanfanbau sollen auch in angrenzenden weißrussischen Regionen zumindest erwogen worden sein, genauere Ergebnisse sind allerdings nicht bekannt.

Phytoremediation: Forschungen zur Phytoremediationsfähigkeit von Hanf

Zum diesem Thema existieren inzwischen umfangreiche Forschungsarbeiten. Eine italienische Studie aus dem Jahr 2003 (Veröffentlichung in Plant and Soil) konnte die Absorptionsfähigkeit von Hanf gegenüber Cadmium, Nickel und Chrom belegen. Als bemerkenswertes Ergebnis galt dabei, dass die Struktur der Hanfpflanze kaum oder gar keinen Schaden durch die Schwermetalle nimmt. Hanf kann durch unterschiedliche molekulare Mechanismen Zellschäden durch toxische Belastungen vermeiden.

Eine deutsche Studie aus dem Jahr 2005 (Veröffentlichung in Biologia Plantarum) konnte nachweisen, dass die Hanfwurzeln auch höchste Cadmiumkonzentration bis zu 800 mg/kg unbeschadet überstehen, die Blätter und Stengel der Pflanze allerdings schon auf 60 bis 100 mg/kg reagieren. Entscheidend für die Absorbtion von Schwermetallen durch Hanf scheint zudem der ph-Wert des Untergrundes zu sein, wie die deutschen Forscher nachweisen konnten. Eine chinesische Studie untersuchte 2010 die Aufnahmefähigkeit von Zink durch Hanf und weitere Pflanzen. Dieser schnitt hierbei (neben Sonnenblumen) sehr gut ab.

Phytoremediationsfähigkeit von Hanf
Phytoremediationsfähigkeit von Hanf

Gentechnisch veränderter Hanf für eine noch bessere Phytoremediation

Pakistanische Wissenschaftler wiesen 2015 nach, dass der Hanf durch bestimmte Gene zu seiner ausgezeichneten Phytoremediation imstande ist. Sie schlugen daher gentechnische Veränderungen der Pflanze für eine Verbesserung dieser Fähigkeit vor und begannen mit entsprechenden Versuchen, die ab 2017 durch amerikanische Wissenschaftler aufgegriffen wurden.

Diese führten laut einer Studie der University of Virginia zu brauchbaren Ergebnissen. Das Unternehmen Phytotech, das nach wie vor in der Umgebung von Tschernobyl an der Phytoremediation durch Hanf forscht, setzt ebenfalls auf Gentechnik.

Phytosanierung – Verwendung der angebauten Pflanzen

Eine chinesische Studie aus 2009 und eine rumänische Studie aus 2012 wiesen nach, dass die zur Phytoremediation verwendeten Hanfpflanzen ihre Schwermetalle auch wieder abgeben. Besonders gut ist das beim Cadmium zu beobachten. Seither kommen entsprechende Hanfprodukte aus solchen Pflanzen nur für die Herstellung von Baumaterialien und Industrietextilien zu Einsatz.

Die Verwendung als Biokraftstoff wird erwogen. In den Jahren vor 2009 hatte man die Pflanzen hingegen überwiegend vernichtet, weil man sie für zu gefährlich hielt. Vom Einsatz für den menschlichen Konsum etwa als Nahrungs- oder Kosmetikmittel wird bis heute (2022) abgeraten.

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Autor: Tastfunker

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